Bürokratie 1 – Die Freihandelszone von Manaus (SUFRAMA) und das Chaos

Bürokratie – sicherlich ein Thema über das es in Brasilien viel zu schreiben gibt. Ich greife aus aktuellen Anlass einfach mal ein Thema heraus und setze eine „1“ hinter Bürokratie. Vielleicht wird da noch eine Serie draus 😉

Aktuell beschäftige ich mich damit, wie wir unser Produkt an unsere Kunden in Manaus (Amazonien) bringen. Das Problem ist nicht die Kunden zu finden oder ihr Interesse zu wecken – beides ist schon vorhanden – sondern die Logistik und Bürokratie.

Zunächst eine kurze Einleitung in das Thema „Manaus“. In den 60er Jahren war die Militärregierung der Meinung man müsste die Amazonas-Region stärker besiedeln und wirtschaftlich erschliessen. Grund: da es sich um ein sehr grosses, unwegliches und weit abgelegenes Gebiet handelt, könnten die Nachbarländer „einmarschieren“ und die Region annektieren. Daher der Plan Präsenz zu zeigen. Leider liegt Manaus aber mitten im Regenwald, weit weg von den restlichen Wirtschaftszentren, mit extremen klimatischen Bedingungen, sodass freiwillig sich kein Unternehmen dort niederlassen würde. Also was tun? Eine Freihandelszone bilden und Unternehmen mit wirtschaftlichen Anreizen wie Steuerbefreiung locken (nicht unerheblich in dem Land der Steuern!).

Als Folge dessen befinden sich nun die Produktionsstätten zahlreicher multinationaler Unternehmen dort. Das heisst ein Wahnsinnsaufwand wird betrieben um Waren zwischen Manaus, das heisst einer wirtschaftlichen Insel mittem im Urwald ohne infrastruktuelle Anbindung, und dem Rest (hauptsächlich der Süden) Brasiliens hin und her zu verfachten. Ich habe schon von Fachleuten aus der Logistikbranche gehört dass Frachtflüge nach Manaus stark ausgebucht sind und es billiger ist Waren nach Miami zu schicken und von dort nach Manaus. Auf die Bedingungen die die Unternehmen erfüllen müssen um die Steuererleichterungen zu bekommen, werde ich garnicht genauer eingehen (überblicke ich selber nicht, auf der offiziellen Internetpräsenz der Zone findet man da keine klar strukturierten Informationen zu). Die Unternehmen müssen jedenfalls zahlreiche Bedingungen wie x% Fertigungstiefe vor Ort, y% Exportquote etc. erfüllen. Allein dabei ist ein enormer bürokratischer Aufwand garantiert. Und wo es unübersichtliche Vorschriften und Bürokratie gibt, sind auch die Pforten für Korruption weit geöffnet…ein Alptraum!

Das ist aber noch nicht genug für die Ansprüche brasilianischer Bürokratieeskapaden! Auch die Lieferanten, die ihre Kunden in Manaus beliefern und selber garnicht von den wirtschaftlichen Vorteilen profitieren, dürfen beim Aktenmonopolie mitmachen. Nein, man kann nicht einfach seine Ware verkaufen und dahin schicken, sondern muss diese Waren erstmal beim sogenannten SUFRAMA anmelden. Ja genau, man hat schon einen gewissen Aufwand betrieben um die Waren nach Brasilien einzuführen und sie zu „nationalisieren“, d.h. sie brasilianischen Erzeugnis gleichwertig zu stellen und dann gibt es für Manaus wieder eine Extrawurst. Den SUFRAMA kann man sich also wie eine Zollbehörde vorstellen. Ein Riesenspass ist das und der Auslöser für den vorliegenden Beitrag. Denn hier geht das Chaos los.

Auf der „hochmodernen“ Internetpräsenz des SUFRAMA (Screenshot) muss man eine Software namens „Sinal 6.0“ herunterladen. Nach einer ersten Anmeldung seines Unternehmens, klickt man frohen Mutes auf folgenden Button:

Sinal 6.0

 

 

und erhält folgende Fehlermeldung:

Fehlermeldung Sinal 6.0

 

 

 

Geht ja schonmal gut los. Aber so leicht gebe ich mich nicht geschlagen. Also versuche ich telefonisch Support zu erhalten. Die erste Nummer die ich finde funktioniert nicht oder ist dauernd besetzt. Ich finde noch eine weitere Nummer, die explizit für den Support zu diesem Program zuständig sein soll. Ansage von der Telefonbehörde: „Diese Nummer wurde deaktiviert“. Klasse! Ich habe jetzt mal noch eine E-Mail an die Adresse die neben dieser Telefonnummer stand gesendet, bezweifle aber stark dass da eine Antwort zurück kommt.

Ich habe auch noch einen „Kontakt aufnehmen“ Link gefunden. Dieser führt aber ebenfalls zu der Meldung „404 – Seite nicht gefunden“. Top!

Diese Software muss man aber leider verwenden, um die Einfuhr seiner Waren in die Region anzumelden. Laut Anleitung scheint dies ebenfalls ein umständlicher Prozess zu sein. Man gibt zunächst in dieser Anwendung die Daten der Waren, seiner Firma und der zugehörigen nota fiscal (ein weiteres Dokument das man bei einer anderen Behörde für jede Art von Versand erstellen muss, also selbst wenn es kein Verkauf ist) ein. Diese Daten werden von der Software in eine Datei geschrieben die man anschliessend manuell auf der Internetseite des SUFRAMA hochladen muss (hier liegt vielleicht ein Ansatzpunkt für die Lösung: herausfinden wie die Datei aufgebaut ist und sie selber erstellen). Sobald man das geschafft hat – ob das klappt kann ich aus Ermangelung dieser Datei noch nicht sagen – generiert man ein weiteres Protokoll, das „PIN“ genannt wird. Dieses Protokoll muss dann anscheinend ausgedruckt und dem SUFRAMA-Zoll vorgelegt werden. Und wehe der Empfänger ist nicht im SUFRAMA registiert…aus dem Hinweis, dass man unbedingt vorher prüfen soll ob das der Fall ist, schliesse ich dass ansonsten irgendwelche Strafgebühren fällig werden.

Tja, wie ich meine Waren anmelden soll ist mir jetzt immernoch ein Rätsel, aber ich bleibe am Ball. Kostet vermutlich nur ein paar weitere Stunden oder Tage Zeit und Nerven.

Das nur als ein kleines Beispiel aus dem brasilianischen Geschäftsalltag. Wie unter solchen Bedingungen die Wirtschaft wachsen und Fortschritt stattfinden soll bleibt fraglich. Ebenso wie die Aussage dass Brasilien als BRIC-Land die Zukunft unserer Weltwirtschaft sein soll…

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01. September 2014 von Chris
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