Die Honig-Verschwörung
Bienen müssen hier ein luxuriöses Leben führen. Sonne, Strand, Caipi, Blüten für einen Snack zwischendurch sind auch genügend vorhanden. Und nur dann und wann mal arbeiten.
Anders kann ich mir nicht erklären, dass ich R$ 15,99 (=6,20€) für ein stinknormales 300g Glas Honig (keine fancy Marke, die anderen waren auch mindestens genauso teuer) bezahlt habe. In Deutschland zahlt man, wenn ich mich recht erinnere etwa 2-3 Euro für ein Glas Honig, oder? Da man aber auch nur begrenzt Preise hier und in Deutschland unmittelbar vergleichen kann, stellen wir mal ein paar andere Vergleiche an…
R$ 15,99, dafür bekommt man wahlweise:
1 Mittagessen im Kilo-Restaurant (je nach Qualität wird man für den Preis auch satt oder eben nicht )
5 Fahrten mit ÖPNV (in Deutschland 1 Glas Honig = 1 Fahrt)
1 Flasche guten Cachaça (in Deutschland müsste man für eine Spirituose vergleichbarer Qualität 10-12 Euro = 4 Gläser Honig hinlegen)
6 Liter Benzin
1 Kilo Rindfleisch
10 Kilo Limetten
16 Kilo Orangen
Der Vergleich zeigt:
- Honig ist hier im Vergleich zu anderen Dingen teuer (und daraus lässt sich auf den Lebensstil von Bienen schließen )
- Andere Dinge sind dafür wesentlich günstiger als in Deutschland (was nicht überrascht)
Aber wie sieht es unterm Strich aus?
Oft höre ich, besonders wenn ich von meinem sehr sehr sehr bescheidenen Praktikantengehalt erzähle (das im Übrigen nichtmals dem brasilianischen Mindestlohn für Vollzeitangestellte entspricht), Dinge wie „Aber in Brasilien sind doch die Lebenshaltungskosten auch günstiger“. Der Frage ob da was dran ist, möchte ich ein wenig in diesem Blog-Eintrag nachgehen (ohne wissenschaftliche Fundierung, ohne Garantie für Richtigkeit und ohne Anspruch auf Vollständigkeit ^^)
Zunächst lässt sich feststellen, dass Lebensmittel im Allgemeinen eher günstiger sind. Aber nur „unveredelte“ Dinge wie Gemüse, Obst, Fleisch, deren Produktion zudem von warmem Klima (Früchte wie Orangen, Limetten, Papaya, Ananas) abhängt und prinzipiell viel Fläche benötigt.
Klar, Tropenfrüchte wachsen nicht in unseren Breitengraden und vieles wird importiert. Außerdem ist Deutschland vergleichsweise klein, d.h. man kann nicht einfach ne Herde Rinder in die Landschaft stellen und abwarten dass sie wachsen um sie dann zu Steaks weiterzuverarbeiten
Bei Milchprodukten siehts dann schon wieder anders aus. Liegt das vielleicht daran, dass zu viele Kühe zu Fleisch verarbeitet werden und damit nicht mehr genug Milchkühe übrig bleiben? Also eine negative Korrelation zwischen Fleisch- und Milchpreis? Milch und Milchprodukte sind nun mal sehr günstig in Deutschland (wird ja auch kräftig subventioniert).
Sobald aber hier etwas importiert wird, explodiert der Preis, dank Schutzzöllen. Toll so ne protektionistische Politik… Elektrogeräte, Autos etc. aber auch importierte Lebensmittel kosten hier ein Vermögen!
Die niedrigen Löhne spiegeln sich in den niedrigeren Preisen für Dienstleistungen wieder: Herrenhaarschnitt für 6-8 Euro, Fahrt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln quer durch die komplette Stadt 1,20 – 1,80 (je nachdem ob man nur Metro ODER Bus, oder beides gemischt fährt). Bei Restaurantbesuchen mischen sich die niedrigen Personalkosten mit hohen Preisen für manche Zutaten (und Steuern?). Man kann schon für R$ 12 = 4,65€ ganz gut essen gehen (da wo ich arbeite fängt das leider eher bei R$ 15 an). Das heißt nicht schick, aber man wird satt und es schmeckt, man bekommt (Rind-)fleisch, Reis, Bohnen (der Klassiker) und Salat.
Auch Sushi ist im Vergleich zu Deutschland günstig: etwa R$ 42 pro Kilo (das Thema Kilo-Restaurants muss ich ein anderes Mal erklären). Sobald man aber etwas ausgefalleneres essen möchte, steigt der Preis auch schnell. Ein all-u-can-eat Vegetarierrestaurant das ich kenne nimmt R$ 28. Das ist auch noch OK und in São Paulo durchaus noch am unteren Ende der Fahnenstange. Man bekommt hier praktisch alles erdenkliche, dabei sind aber auch den Preisen kein Limit gesetzt…
São Paulo ist was das angeht ein schwarzes Loch, was einfach nur Geld verschlingt! Hier um die Ecke ist eine Bar (http://www.theviewbar.com.br ) im 30. Stock mit Blick über die Stadt, wo man werktags allein 22 R$ Eintritt zahlt, Caipirinha dürfte dort 30 R$ und aufwärts kosten. Es gibt Diskos wo über 100 R$ Eintritt fällig sind.
Zu dem Thema Preisexplosion gibt es auch eine neue Internetseite ( http://boicotasp.com.br ), wo man „überteuerte“ Läden melden kann, die dann möglichst boykottiert werden sollen. Da findet man Lokalitäten, wo ein Milkshake 45 R$ kostet oder Eintritt für ein Festival (wahrscheinlich VIP Plätze) 2000 R$… Achja da fällt mir ein, dass es auch im Sambastadion Plätze in dieser Preisklasse gab.
Ich kann die eingangs gestellte Frage, ob es hier günstiger oder teurer zu leben ist, nicht abschließend beantworten. Ich möchte nur ein Gefühl dafür vermitteln, dass hier nicht alles per se billig ist. Nicht zu vergessen ist natürlich, dass São Paulo die teuerste Stadt Brasiliens und auch eine der teuersten Städte in der Welt (in Relation zum Einkommen) ist. Irgendwo in der Prärie im Binnenland bzw. besonders im niedriger entwickelten, ärmeren, Nordosten Brasiliens sind die Lebenshaltungskosten deutlich geringer und man kann davon ausgehen, dass es billiger als in Deutschland ist. Dafür ist auch der Lebensstandard niedriger…
Günstig sind:
Fleisch, Limetten und Orangen sowie andere Früchte aus der Gegend wie z.B. Papaya, Dienstleistungen (Friseur, ÖPNV), Cachaça, Treibstoff.
Teuer sind:
Elektronikartikel, importierte Waren jeglicher Art (z.b. auch Wein und Sekt. Eine Flasche Freixenet habe ich letztens für 45 R$ = 17,44€gesehen), Honig (!), Restaurants können, müssen aber nicht teuer sein, Käse und andere Milchprodukte.
Und den brasilianischen Bienen wünsche ich noch ein schönes Leben
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