Grüße vom Südpol – Winter in São Paulo

Raus aus dem mollig warmen Bett aus einer durchgelegenen Matratze und zwei Bettdecken. Durch das etwa 10 Grad warme (oder eher kalte?) Zimmer ins Bad geschlurft. Ich spritze mir das gletscherartig kalte Wasser ins Gesicht und bin hellwach, die Haut gerötet. Jetzt noch einen Kaffee aufsetzen – und ein wenig die Hände an der Gasflamme wärmen…So, der Kaffee wärmt auch ein bisschen. Ich schlüpfe in den Anzug und mit Sommermantel geht es raus in die polare Beton-Wüste. An der Bushaltestelle wundere ich mich, welches die beste Taktik gegen die seit 3 Tagen andauernde Kälte ist: Winterjacke plus Flip-Flops sicher nicht. Und dort: Trainingsanzug + Flipflops und Socken – schon besser. Top ausgerüstet sind natürlich die Leute im richtigen Wintermantel mit Mütze und Handschuhen – gut die Handschuhe sind vielleicht doch etwas übertrieben angesichts der 5 Grad…aber die Leute haben vorgesorgt! Im Bus ist es schließlich auch etwas wärmer, am besten hinten über dem Motor hinsetzen, wo es an den warmen Tagen unerträglich heiß wird!

Endlich auf der Arbeit angekommen – hier wird es sicherlich wärmer. Pustekuchen! Genauso kühl, eine Heizung gibt es hier, wie auch in der Wohnung nicht. Da das Gebäude aber aus Beton und nicht aus  Tonziegeln gebaut ist, ist es drinnen ein wenig besser und es gibt weniger Durchzug. Nach einer halben Stunde entscheide ich mich aber den Mantel doch wieder anzuziehen. So verbringe ich dann den gesamten Arbeitstag an meinem Platz – unterbrochen durch die Mittagspause und regelmäßiges Auffüllen des Kaffee-Pegels!

Auf dem Rückweg wieder das gleiche Spiel: Studien über die Winterausrüstung der Paulistanos (ohne neue Erkenntnisse) und eine kühle Busfahrt. Zurück in der Wohnung, ich möchte noch ein bisschen was arbeiten, der Blogeintrag könnte mal geschrieben werden, ein paar andere Recherchen stehen an. Erstmal aus dem Anzug raus, rein in den Pulli. Hmmm immernoch frisch, also noch einen Pullover drüber…hm sind vielleicht 12 Grad hier und es zieht trotz geschlossener Fenster, also besser noch eine Pullover-Jacke drüber. So, alles klar, jetzt kann’s losgehen, ab an den Schreibtisch gesetzt und losgelegt…wenn nur nach 30 Minuten nicht die Füße (die nur in Socken und FlipFlops stecken) eiskalt wären. Na vielleicht hilft ein Tee weiter…mit dem Tee lassen sich nochmal 30 Minuten überstehen. Außerdem fällt mir die letzte Wärmequelle in der Wohnung ein: die gute alte Elektrodusche. Also noch schnell einen Eimer Warmwasser gemacht und die Füße rein. Leider ist das Wasser nach 30 Minuten auch ausgekühlt…Gut, jetzt ignoriere ich die Kälte einfach.

Nach 2 Stunden hilft nur noch eins: ins Bett gelegt, unter meine 2 Bettdecken, Füße noch in der Decke einwickeln, und an Natallis Seite aufgewärmt (die sich schon vor längerem unter den Decken verkrochen hat). Völlig durchgefroren liege ich so im Bett und schlafe allmählich ein.

Was sich anfangs anhört wie die morgendlichen Erlebnisse auf einer hochalpinen Hüttentour, ist bloß die Beschreibung eines Wintertages in São Paulo. Die letzten Tage zeigten: es gibt ihn doch, den Winter in São Paulo. Wenn es nur noch 5 Grad draußen sind wird es richtig unangenehm. Die Temperaturen sind zwar nicht soooo extrem niedrig, aber da es keine Heizung gibt und die Gebäude auch nicht wärmeisoliert sind (wofür auch, bei bestimmt mehr als 250 richtig warmen und weiteren 100 einigermaßen gemäßigten Tagen im Jahr), ist man einer permanenten Kälte ausgesetzt, die einen auf Dauer richtig ausfrieren lässt. In Deutschland mag es viel kälter sein mit Minusgraden und Schnee, aber man ist für gewöhnlich maximal ein paar Stunden draußen (wenn man nicht an der frischen Luft arbeitet) und hält sich den Rest der Zeit in geheizten, warmen Räumen auf und kann so die Wärmebatterie wieder aufladen. Wesentlich angenehmer.

Insofern kann der Winter hier auch grausam sein, zum Glück aber nur kurz! Die meiste Zeit des Winters hatten wir bisher 20-25 Grad und Sonne. Und jetzt am Wochenende waren es auch schon wieder 23 Grad und eitel Sonnenschein! So lässt es sich aushalten! 🙂

Quelle Titelbild: http://www.f1online.de/premid/003313000/3313009.jpg
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29. Juli 2013 von Chris
Kategorien: Persönliche Erfahrungen, Sao Paulo | Schlagwörter: , , , | 3 Kommentare